Baumm II & IV
Zwischen dem 2. und 9. August 1956 erreichten diese Fahrzeuge auf dem Salzsee folgende
sensationellen Werte:
- In der 50 ccm-Klasse: 196 km/h
- In der 100 ccm-Klasse: 222 km/h
- In der 125 ccm-Klasse: 242 km/h
Der Baumm II steht heute im Autonova Museum in Altlußheim.
Der Baumm IV steht im im Zweirad- und NSU-Museum in Neckarsulm
Einem historischen Rätsel auf der Spur.
Am 20. Februar 2024 waren Heinz Herz und ich zu Besuch im Modellwindkanal des FKFS ("Forschungsinstitut
für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart"). Wir wollten die aerodynamischen Eigenschaften des
Rekordmotorrads BAUMM IV untersuchen, das in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts als
erstes Motorrad die 320 km/h Marke knackte.
Das Motorrad wurde wegen der Liegeposition des Fahrers auch "fliegender Liegestuhl" genannt. Herz' Vater
steuerte das Rekordfahrzeug und hatte im Jahr 1956 einen schweren Unfall.
"Die stabile Karosserie des Motorrads hat ihm das Leben gerettet", erzählt Herz. Doch wieso das Motorrad
damals ins Schleudern geriet, ist bis heute unklar. Diesem Rätsel wollen wir auf den Grund gehen: War es ein
Seitenwind oder der Untergrund ? Oder war am Ende doch die Aerodynamik schuld am Unfall ?
Ich fertigte also ein Modell zum BAUMM IV mit leichten Modifikationen an, das wir den BAUMM V nennen.
Mit diesem Modell waren wir im Windkanal des FKFS. Die erhofften Ergebnisse blieben allerdings aus, denn
die Anpassungen des BAUMM V bringen nicht die erwarteten Effekte. Was letztendlich den Unfall von
Herz' Vater verursachte, bleibt weiterhin im Dunklen. Enttäuschend für mich, aber Herz entgegenet: "Wir sind
dennoch schlauer". Ein BAUMM VI ist dennoch vorerst nicht in Planung.
Beim Unfall von Wilhelm Herz auf dem Salzsee blieb der Sitzbereich nahezu unbeschädigt. Das hatte seinen
guten Grund:
NSU hat mit dem Einsatz von selbsttragenden Karosserien im Jahr 1954 - also ohne Rohrrahmen - einen bis heute
erfolgreichen Weg eingeschlagen. Damals "Raupenhohlträger" genannt. Der Rahmen sollte seine Festigkeit
bald unter Beweis stellen.
Bei den jetzigen Arbeiten mit den Modellen der Rekordfahrzeugen wurden zwei alte Themen wieder aktuell:
- die selbsttragende Karosseriebauweise in den BAUMM Fahrzeugen
- Aggregatträger
Die selbsttragende Karosseriebauweise in den BAUMM Fahrzeugen, "Raupenhohlträger" genannt hat sich
bestens bewährt. Die Idee wurde bei NSU unter der Bezeichnung Gitterrohrrahmen weiterverfolgt und
vervollkommnet. Das Modell aus dieser Zeit hatte schon viel Ähnlichkeit mit dem "Spaceframe", wie er
bis heute bei AUDI übernommen wurde.
Der heutige Begriff "Aggregatträger war auch schon bei den Baummschen Rekordfahrzeugen aktuell.
Im BAUMM II kamen verschiedene 50 ccm Motoren zum Einsatz. Im BAUMM IV die Rennfox- und die
Rennmax-Motoren.
Mit Aerodynamik braucht man weniger Kraft
Soll ein unverkleidetes Motorrad auf 300 km/h beschleunigt werden, benötigt man 235 PS.
Der cW-Wert (Luftwiderstandsbeiwert) liegt bei 0,298.
Der Motor des DELPHIN III hatte eine Leistung von 110 PS und erreichte damit 339 km/h.
Sein cW-Wert lag bei 0,1535.
Dem BAUMM IV genügten 44 PS für die selbe Geschwindigkeit. Sein cW lag bei 0,1456.
Mit dem geplanten neuen BAUMM V sollten ca. 366 km/h erreicht werden. Der cW hätte bei
0,1041 gelegen. Das wäre ein neuer Weltrekord.
Durch den Wegfall der Lufthutzen reduzierte sich die Stirnfläche von 0,14562 m2
auf 0,13765 m2. Das ist ein Minus von 0,00797 m2.
Das entspricht der Größe einer Scheibe von 254mm Durchmesser.
Windhutze, Lüfterhutze oder Dorade
Sie ermöglicht den Eintritt von Luft durch den Fahrtwind und die Nutzung der natürlichen
Luftströmung zum Luftaustausch als sog. Ram-Air (Stauluft).
Luftwiderstand
Bei den Geschwindigkeitsversuchen war ein möglichst geringer Luftwiderstand von zentraler
Bedeutung. Bei der Verdreifachung der Geschwindigkeit von bspw. 100 km/h auf 300 km/h
steigt der Luftwiderstand um das Neunfache an. Bei 339 km/h also um das Zehnfache.
NACA Öffnungen
Die NACA Öffnung ist ein strömungsgünstiger Lufteinlass in der Außenhaut von Fahrzeugen.
Durch die schrägen Kanten werden Luftwirbel erzeugt, die die langsame Grenzschicht-strömung
verdrängen.
Deshalb kann sie für einen gegebenen Luftstrom vergleichsweise klein ausgeführt werden.
Außerdem haben sie einen Turbo-Effekt.
Die Erkenntnisse aus unserem Versuch
Unsere Vermutung wurde bestätigt: es war kein Seitenwind, der zum Sturz geführt hatte !.
- Der BAUMM II mit den kleinen Motoren (Hubraum 50 - 125 ccm) war für die damit erreichten
Geschwindigkeiten von je 136 km/h und 242 km/h noch geeignet.
- Beim BAUMM IV trat bei den hohen Geschwindigkeiten von bis zu 360 km/h der Tragflächen-Effekt
zunehmend stark in Erscheinung. Die Oberseite ist stärker gewölbt als die Unterseite. Die Luft
muss also obenrum eine längere Strecke zurücklegen. Das bewirkt Auftrieb wie bei den Flügeln eines
Flugzeugs. Wilhelm Herz erinnerte sich: "Ich hatte mit dem Vorderrad keinen Kontakt zum Salz
mehr".
- Das Fahrzeug - vor allem der Radstand - war zu kurz.
- Der Schwerpunkt hätte wahrscheinlich noch tiefer liegen müssen.
Wie müsste also das Rekordfahrzeug Nr. IV aussehen ?
Schon im Jahr 1938 hat Fachsenfeld seinen ersten Tiefsitzer mit einem rotationssymmetrischen
Querschnitt konstruiert. Das Fahrzeug hatte keine aufgesetzte sondern eine in die Form
integrierte Heckflosse.
Für zukünftige Hochgeschwindigkeitsfahrten wird der Salar de Uyline in Bolivien gewählt. Er liegt
auf einer Höhe von 3653 Metern, dort ist die Luft dünner. Deshalb muss die Verbrennungsluft
(Sauerstoff) im Druckbehälter mitgeführt werden.
Dadurch dann auch Wegfall von beiden Lüfterhutzen.
Da inzwischen mit Trockeneis gekühlt wird, entfällt neben der Hutze zur Zufuhr der Verbrennerluft
auch die Hutze zur Zufuhr der Kühlluft.
Als Motoren könnte ich mir bspw. einen mit Wasserstoff betriebenen
Wielandmotor vorstellen.
Dieser ist leicht und bringt ausreichend Leistung.
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